Leben und Reisen mit Typ 1

Samstag, 9. September 2017

CGM- Fluch und Segen zugleich?

Schon seit 2 Jahren benutze ich das CGM-System ("Continuous Glucose Monitoring"), das mir kontinuierlich meine Blutzuckerkurve (bzw. Gewebefett-) auf die Pumpe wirft. Mein Diabetesleben kann ich mir ohne das Wunderding gar nicht mehr vorstellen. Trotzdem kann es die reinste Folter sein.


Als ich mir 2015 zum ersten Mal den 'Enlite'-Sensor von Medtronic anlegte und schließlich den dazugehörigen Transmitter anstöpselte, wollte ich ihn gar nicht mehr ablegen. Plötzlich konnte ich alles sehen, was ich mit 10mal am Tag Messen nicht sehen konnte; wie mein Zucker sich bei Bewegung verhält, wie er unterschiedlich hoch ansteigt nach verschiedenen Essen, wie er stur nicht auf Korrekturen reagiert und und und. Ich konnte Trends erkennen und mein Insulin besser anpassen. Ich hatte die Kontrolle übernommen. Konnte dem (fast) 'closed loop' system meistens vertrauen, das die Basalrate unterbrach, bevor ich unterzuckern konnte.

Besonders beim Sport schätze ich das Gerät sehr. Wenn ich z.B. längere Strecken Joggen gehe, habe ich meinen Zucker immer im Blick und kann mir im richtigen Moment noch einen Traubenzucker in den Mund schieben, falls nötig (auch wenn das CGM manchmal dem Blutzucker etwas hinterherhinkt). Sogar beim Schwimmen ist es mir möglich, ständig meinen Wert zu überprüfen, denn die Pumpe nehme ich auch mit ins Wasser.




Zusammengefasst bin ich also größter Fan vom CGM.

Was ist also die Kehrseite des Systems? Wie ich schon sagte, sieht man alles auf dem Gerät und damit meine ich ALLES. Angefangen bei den kleinsten Süßigkeiten, die man heimlich verdrückt und bolusmäßig maßlos unterschätzt. Das Ergebnis auf dem Monitor: eine 90 Grad Wende nach oben mit drei fiesen Trendpfeilen. Korrektur. Nach 5 Minuten der erste Blick aufs Gerät, mit der Hoffnung, dass die Korrektur schon anschlägt, natürlich nicht. 10 Minuten später das gleiche usw. Schlimmstenfalls wurden mit Blick aufs Gerät zu viele Korrekturen abgegeben und nun schießt der Zucker wiederum gen Keller. Natürlich kann man anfangs nur eine Korrektur abgeben und eine halbe Stunde warten bis man den Wert wieder kontrolliert, aber dafür bin zumindest ich viel zu ungeduldig. Die hohen Zahlen und Trendpfeile machen mich nervös.



Erst vor kurzem hatte ich eine Diabetes-Phase, in der ich übermäßig ehrgeizig war und meine Blutzuckerkurve unbedingt im Rahmen halten wollte. Jedoch machte mein Zucker, was er wollte, egal wie sehr ich mich kümmerte. Es gab regelmäßige Ausschreitungen nach oben auf schwindelerregnder Höhe, die mir den letzten Nerv raubten. Ständig guckte ich auf meine Pumpe, die mir immernoch den gleich hohen Wert anzeigte, was sofort auf meine Stimmung schlug. Und das im 5 Minutentakt. Auch wenn ich nicht mehr raufgucken wollte, tat ich es trotzdem. Ich überlegte sogar schon, den Sensor einfach auszuschalten. Das war die reinste Psycho-Folter für mich.

Natürlich kann es auch mal sein, dass der Sensor rumspinnt; Unterzuckerungen anzeigt, die gar nicht stimmen, hohe Zahlen, obwohl der Wert längst schon wieder unten ist. Das passiert mir aber nur selten.

All in all ist das CGM-System auf jeden Fall mehr Segen als Fluch für mich. Aber manchmal eben auch ein bisschen Fluch. Beklagen will ich mich aber nicht und bin mehr als dankbar, dass mir Technologien wie diese mein Diabetesleben erheblich erleichtern.


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen