Leben und Reisen mit Typ 1

Montag, 12. Juni 2017

Schüleraustausch USA

Schon immer war es mein Traum, mal für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Deshalb bewarb ich mich für das Jahr 2013/14 bei der Organisation "Youth for Understanding" (YFU) für einen Schüleraustausch.




Damals hatte ich meinen Diabetes seit drei Jahren, war ganz gut eingestellt und meine Erkrankung war weiter kein Thema für mich. Es lief eben. Als ich dann aber schließlich die Zusage erhielt und meiner zukünfitigen Gastfamilie einen Brief schreiben sollte, kam ich dann doch ins Stocken; sollte ich erwähnen, dass ich Diabetes hatte? Auf jeden Fall, denn ich werde ja meinen Alltag mit ihnen teilen und sie sollten wissen, wie sie mir bei einer Unterzuckerung helfen konnten. Dennoch entschied ich mich dazu, den Diabetes herunterzuspielen: "...Ich habe Diabetes Typ 1. Das ist eine Erkrankung,die (...). Jedoch werdet ihr es bestimmt kaum merken, dass ich diese Erkrankung habe (...). Schließlich muss ich immer Zucker bei mir tragen." Irgendwie hatte ich doch Angst, dass mich keine Familie aufgrund meines ungebetenen Begleiters aufnehmen würde. Verständlich, denn sie würden die komplette Verantwortung für mich tragen.

Meine Sorge war jedoch unbegründet, denn 3 Monate vor Abreise bekam ich dann den heiß ersehnten Brief mit dem Namen meiner Gastfamilie. Und ich musste schmunzeln, denn unter dem Beruf meines Gastvaters stand "paramedic", also Sanitäter. Na dann war ich ja gut aufgehoben.

Meine Gastfamilie


Dann ging es ans Packen und wie auch jetzt für Ecuador, habe ich auch damals meinen Jahresvorrat an Diabeteskrams mitgeschleppt. Dann konnte es endlich losgehen! Der Abschied von meiner Familie, meinen Freunden und meinem Freund, den ich erst 4 Monate zuvor kennen gelernt hatte (und der auch ein Austauschjahr machte) viel mir sehr schwer. Aber dann saß ich im Flieger nach Michigan und es gab kein Zurück mehr.

Meine Gastfamilie entpuppte sich als sehr herzlich. Besonders zu meinen Gastvater hatte und habe ich einen sehr guten Draht. Mein Diabetes war im Familienalltag kein Problem.

Eine andere Nummer war jedoch das Essen. Das Vorurteil, alle Amerikaner würden nur Fast Food essen, kann ich nicht bestätigen. Jedoch traf dies zumindest auf meine Familie überwiegend zu. Für meinen Diabetes war das erstmal ne ziemliche Umstellung, jedoch hielt ich mich manchmal zurück und aß vielleicht nicht die ganze Pizza.

Meine Highschool war der absolute Hammer. Ich liebte es, zur Schule zu gehen, hatte so genannte "fun classes" wie Fotografie und lebte den berühmten "Highschool-Spirit" voll aus. Keinen meiner Mitschüler schien es zu stören, dass ich einen kleinen Kasten an meinem Hosenbund trug und sie fragten manchmal sogar interessiert nach. Auch beim Zusammensein mit meinen neuen Freunden stellte meine Erkrankung fast nie ein Problem dar, bzw. sie hatten Verständnis dafür, wenn ich aufgrund einer Unterzuckerung erstmal einen Gang zurückschalten musste.




Mein amerikanischer Alltag bestand zudem aus Sport, sehr viel Sport sogar, der an die Schule geknüpft war. So trat ich im Sommer dem Cross-Country Team bei. Dies ist ein Sport, bei dem man viel läuft- durch die Stadt, den Wald, über Hügel...Am Wochenende fanden immer Wettbewerbe statt, bei denen viele Teams unterschiedlicher Schulen zusammenkamen, um eine Strecke von 3 Meilen (ca.5km) zu bewältigen. Manchmal empfand ich das Training, das jeden Tag nach dem Unterricht stattfand, als reinste Qual. Nicht weil wegen Zucker, sondern wegen Faulheit und Unsportlichkeit. Mit meinem Zucker handhabte ich das immer so (was im nachhinein vielleicht nicht die beste und gesündeste Strategie war), dass ich zum Mittagessen kaum Insulin abgab und mich kurz vor dem Training dann immer so im 300er Bereich befand.
Im Winter bot meine Highschool sogar Skitraining an (auch mit Wettbewerben, die meistens in der Schulzeit waren :) ) und im Frühling spielte ich Tennis und Softball (letzterer Sport ist wie Baseball nur für Mädchen mit größerem Ball, kleinerem Feld..). Damals trug ich die VEO-Pumpe von Medtronic, aber natürlich ohne Sensor. Keine Ahnung, wie ich das überlebt habe. Mittlerweile kann ich mir ein Leben ohne Sensor (besonders auch beim Sport) kaum mehr vorstellen.

Von oben links: Skiwettbewerb, Tennisteam, Softball und Cross-Country



Als sich mein Austauschjahr langsam dem Ende neigte, standen noch zwei große Events aus; der Prom- vergleichbar mit einem Abschlussball- und die Graduation. Zum Prom kam sogar nach langem Nicht-Sehen mein Freund angereist. Schließlich fand die Graduation statt und ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich an diesem Tag überglücklich war. Darüber, dass ich die 10 Monate lang meinen Diabetes ganz gut gemanagt habe. Darüber, dass ich trotz einiger schlechter Erfahrungen und Heimweh geblieben bin. Darüber, dass ich mich persönlich weiter entwickelt und meinen Horizont erweitert habe.

Und darüber, dass es im Nachhinein bislang das beste Jahr meines Lebens war.



Prom

Graduation



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